Montag, 21. Juni 2010

DJ Robert Soko

Wenn heiße Brassbands in schrägen Rhythmen tröten, orientalische Klänge und Klezmersounds ertönen und sich das alles auch noch mit Elektro, Ska, Pop und Rock mischt, dann entsteht „BalkanBeats“. Vor ein paar Jahren noch Krisenherd, doch heute gilt der Balkan als exotisch und sexy. Gemeinsam mit DJ Robert Soko traf ich mich im Kreuzberger Café Atlantic und wir plauderten über die Entstehung der Partys und die Musik, die sie auszeichnet.

Inpopnito: Du bist Anfang der 90er nach Berlin gekommen, was hat dich dazu gebracht hier Musik aus deinem Heimatland aufzulegen?
Robert Soko: Ich bin mit dieser Musik aufgewachsen und als ich 19 war habe ich das Land verlassen. Diese Musik ist ein Teil meiner Biografie, meiner Mentalität. Und als ich nach Berlin kam, traf ich meine Landsleute. Immer mehr von ihnen kamen nach dem Krieg nach Berlin und Musik ist eine Sache, die verbindet. So kam ich auf die Idee solche Musik aufzulegen.

Deine Balkanpartys hießen nicht immer BalkanBeats, wie hießen sie früher?
Zwischen 1993 und 2000 gab es keinen richtigen Namen dafür und da habe ich den Begriff „Culture Recycling“ benutzt. Die ganze Sache ging los mit den alten jugoslawischen Feiertagen, die keiner mehr feiern wollte. Irgendwie kam das gut an bei den anderen Jugos und auch bei den Deutschen. In Kreuzberg, im Arcanoa ging das los. Ich war eigentlich Taxifahrer zu der Zeit und dann kam ich auf die Idee, weil ich gesehen habe, dass viele Leute im Arcanoa ihre Musik auflegten. Jeden Abend etwas anders, sei es Gothic, Discotrash, Heavy Metal, usw. Und da hab ich gefragt, ob ich mitmachen kann.

Und warum ausgerechnet BalkanBeats?
Das Arcanoa wurde geschlossen und am 25. Mai 2000 haben wir eine Party im damaligen Verein der Visionäre veranstaltet. Da kamen ca. 500 Leute zusammen, also es war rappel voll. Und das war für mich ein Zeichen dafür, dass da eventuell mehr draus zu machen ist. Und dann dachte ich jetzt brauchen wir einen Namen für das Baby. Als Taxifahrer habe ich immer bei Radio EINS eine Sendung gehört, die heißt Elektrobeats. Und in Anlehnung daran dachte ich an BalkanBeats.

Aber schon der Begriff „Balkan“ an sich ist ziemlich schwammig oder?
Der Begriff Balkan schützt mich. Er ist nicht politisch relevant, es ist auf jeden Fall eine Region wo ich herkomme und es ist quasi ein gemeinsamer Nenner. Wenn ich jetzt Jugobeats sage, dann laste ich mir gleich den politischen Quatsch auf. Ich wollte damit nichts zu tun haben. Kroatenbeats das war mir auch ein bisschen zu geschmacklos. Deswegen fand ich den Begriff BalkanBeats sehr passend, weil er beschreibt woher ich komme und woher die Musik kommt. Der Begriff ist relativ breit, weil die Musik, die ich präsentiere nicht nur aus Jugoslawien, sondern aus dem ganzen Balkan und auch darüber hinaus kommt. Und irgendwie ist das gut angekommen.

Früher lief eher Ska und Punk auf deinen Partys. Was hat dich dazu veranlasst die Ethno-Schiene zu fahren?
Ich habe natürlich am Anfang das aufgelegt, was ich als Teenager in Jugoslawien gehört habe. Erstmal habe ich Rockmusik und auch die Pophits aufgelegt, die ein bisschen einen nostalgischen Touch hatten, weil das immer gut zum Tanzen war. Und das mit der Ethno-Sache das kam so ca. 1996/97 ins Spiel und zwar durch die ersten Platten von Goran Bregović, Fanfare Ciocărlia und durch die Filme von Emir Kusturica. Das waren so die Pioniere dieser Sounds. Das habe ich dann immer wieder stichprobenartig rein geschmissen in das Repertoire. Und was ich gesehen habe war sehr positiv. Die Leute mochten es und tanzten sogar wilder dazu als zur Rockmusik. Ein sehr interessanter Aspekt für mich war, dass die „Nicht-Jugos“ das auch mochten. Die kamen damit sogar besser klar als mit unserer Rockmukke. Ich war froh darüber, dass „Westeuropäer“ diese Balkanmusik auch mögen und dazu tanzen. Das fand ich schon revolutionär zu dieser Zeit.

Auf deinen CDs sind auch Bands aus USA und anderen Nicht-Balkanländern drauf. Entsprechen sie musikalisch dem, was du dir unter Balkan vorstellst?
Ja, das was die da spielen sollte schon einen südosteuropäischen Hintergrund haben oder einen osteuropäischen. Ich finde es interessant, dass man heutzutage Musiker aus der ganzen Welt hat, die sich mit dem Thema Balkanmusik beschäftigen und genau das wollte ich in meinen Selektionen auch widerspiegeln. Ein Beispiel ist der letzte Track von der CD „A night in Berlin“. Ich war im vorigen Jahr in Südafrika und was ich da gesehen habe, fand ich wirklich einmalig. Eine schwarzafrikanische Band spielt Songs aus Jugoslawien. Und da habe ich so einen Track drauf gepackt.

Wie erklärst du dir den Durchbruch von Balkan-Beats in Europa?
Also erstmal ist diese Musik sehr tanzbar. Frauen bevorzugen das, Männer auch, aber Frauen sind irgendwie mehr scharf auf diese Welle. Wenn Frauen hingehen, dann sind Männer auch da. Es entsteht eine sexy Aura und eine schöne Stimmung.

Westeuropäer brauchen glaube ich wieder etwas Neues, weil Musikrichtungen wie Techno, Elektro, Punkrock, Jazz, Rock etc ein bisschen uninteressant geworden sind, weil die jahrzehntelang schon etablierte sind.
Das ganze hat auch einen politischen Hintergrund. Jugoslawien war nach dem Krieg in den 90ern sehr negativ präsent in den europäischen Medien. Wenn eine Sache negativ ist und dann auf einmal kommt was Schönes, dann ist das umso interessanter. Aha, die fressen doch keine kleinen Kinder, sondern können auch schön und sexy sei. Das ist glaube ich auch einer der Gründe. Aber wie gesagt, das Wichtigste ist die Tanzbarkeit und das, was sich widerspiegelt in dieser Musik und das ist Glück und Unglück in einem zu verkörpern.


Wie kommst du an die Musik ran, die du auflegst?
Es ist nicht so, dass ich irgendwo hingehe und mir die CDs kaufe so wie früher. Das ist vorbei. Dank dem Internet ist das heute so, dass man das meistens zugeschickt bekommt. Ich bekomme jede Woche was Neues, ob es jetzt tauglich ist oder nicht ist eine andere Sache. Ich höre mir das an und wenn ich denke, dass könnte hinhauen, dann präsentiere ich das im Club und wenn das Publikum dann damit einverstanden ist, dann haben wir es.

Was bedeutet dir persönlich die Musik, die du auflegst?
Die Musik ist ein Teil meiner Identität und da fühle ich mich ein bisschen wie zu Hause. Und ich muss aber auch zugeben, für mich ist das auch zu einem Geschäft geworden. Wenn ich Musik hören will, um mich zu entspannen, dann höre ich was ganz anderes. Aber ich höre das immer wieder, weil ich das hören muss, bis es dann irgendwann in meinem Traum sitzt, damit ich in der Lage bin ein guter DJ zu sein. Manchmal, wenn ich einen neuen Track bekomme den ich gut finde, dann spiele ich das Ding im Loop zwei, drei Tage lang. Bis ich dann wirklich so tief drin liege, dass ich dieses Talent habe im richtigen Moment den auf den Dancefloor zu schmeißen. Das ist die Kunst eines Selektor DJs.

Und wie kommt die Musik in Ex-Jugoslawien an?
Das kommt da nicht so gut an. Das ist eine Philosophie für sich. Die Jugos selbst können damit noch nicht viel anfangen, weil bei uns da hörst du entweder westeuropäisch orientierte Musik, d.h. Pop, Rock usw. oder Volksmusik. BalkanBeats ist grob gesagt irgendwas dazwischen. Und deswegen ist es für die einen in Ex-Jugoslawien entweder zu folkig oder wieder zu modern. Die Jugos, die hier sind, die kommen damit super klar und wenn ich es in den Ex-Jugoländern mache, dann ist das eine andere Atmosphäre.

Das Interview führte Viktoria Deßauer.