Sonntag, 18. April 2010

Anna und Ayla

Brasilianische Rhythmen in Neukölln


Anna und Ayla, das sind die 24 jährige Anna und ihre Gitarre Ayla. Sie haben sich am Strand von Fortaleza (Brasilien) getroffen und begannen, vom Strand, vom Mond und dem schnellen Leben da draußen zu singen. Zurück am Strand vom Landwehrkanal wird nun auch Berlin-Neukölln besungen.

So ging ich also am vergangenen Donnerstag mit meinem Mitbewohner in eine nette kleine Bar direkt um die Ecke, in der Hoffnung auf ein bischen Lifemusik. Mit dem, was mich dort erwartete, hatte ich nicht gerechnet. Die Bar war ziemlich gut besucht, überwiegend junges Publikum, verteilt auf zwei große Räume, die durch eine alte Flügeltür getrennt waren. Die Wände waren holzvertäfelt, auf den Tischen waren Teelichter in Eisbächern, wie sie meine Oma im Schrank stehen hat, verteilt. Die sonstige Dekoration fiel eher spärlich aus, wirkte wie schnell zusammengeworfen, erinnerte an die 70er Jahre. Und inmitten dieses Ambientes stand ein Barhocker, an dem eine Gitarre lehnte.

Ich hatte es mir gerade mit meinem Bier gemütlich gemacht, auf einem der zahlreichen Sofas, da kam auch schon die junge Frau auf die Bühne, nahm die Gitarre in die Hand und setzte sich auf den Barhocker. Ihr folgte der Perkussionist Nobu. Nach einer kurzen Vorstellung und ein paar einleitenden Worten, fingen Anna und Ayla und Friends an mit ihrem Programm. Das erste Lied handelt vom Leben – wovon sonst. „Das Leben rennt, es überfährt mich“ war eine Einladung an eine Person, eine romantische Aufforderung, zusammen vom Leben überfahren zu werden. Ruhige, melodische Gitarrenklänge, begleitet von streichenden Rhythmen der Perkussion wechselten sich ab mit einem treibenden, schnellen Rhythmus.

Nicht nur das Tempo variierte. Auch die Sprache sprang von Portugiesisch nach Deutsch und wieder zurück. Eines von Annas Markenzeichen. Sie singt Passagen auf deutsch, wiederholt sie auf portugiesisch, oder singt Strophen auf der einen, den Refrain auf der anderen Sprache. Natürlich zählt sie auch einsprachige Songs zu ihrem Repertoire, wobei auch englische Texte eine Rolle spielen. Anna ist noch auf der Suche nach einem Sprachkonzept, ist sich nicht sicher darüber, was am besten beim Publikum ankommt, ob die Zuhörer ihre Texte verstehen. Zwei Jahre hat Anna insgesamt in Brasilien verbracht, dort die Sprache gelernt, Musik gehört und sich in der Sprache wiedergefunden. „Mein ästhetisches Empfinden sagt, dass diese Sprache einfach schön ist.“ Anna fühlt sich der Sprache verbunden und hat auch durch sie eine neue Ausdrucksmöglichkeit kennen gelernt. Trotzdem fiele es ihr schwer, drei Sprachen in ein Konzept zu bringen, da sie der Meinung ist, eine Sprache sei zugänglicher für die Zuhörer. Um den Leuten den Zugang zu ihrer Musik leichter zu machen, hat sie sich überlegt, zu jedem Stück eine kleine Geschichte zu erzählen. Kurz den Inhalt auf deutsch wiederzugeben um eine Vorstellung zu vermitteln.
So gibt sie kurz den Inhalt des nächsten Stücks „Weltuntergang“ wieder. Es gehe um eine WG Küche in Neukölln, in der man sich Gedanken macht – über das Leben. Mit den Fingernägeln klopft sie auf den Gitarrenkorpus, was wie eine wartende Geste wirkt. Das Warten auf eine Antwort?

Mit dem nächsten Song steigen Anna und Ayla in das vorherrschende Thema des Abends ein: der Strand. Wie ein roter Faden zieht sich die Kulisse von Sand, Meer und Sonne durch das Programm. Wie auch anders zu erwarten, wo Anna doch bis vergangen März noch am Strand von Brasilien gewohnt hat.

Für ein Jahr hat sie dort einen selbstorganisierten Uniaufenthalt gehabt, war so oft es ging am Strand. Dort ist auch die Geschichte von Anna und Ayla entstanden. Nach einigen eher wenig erfolgreichen Bandprojekten hatte Anna die Nase voll davon, abhängig von anderen zu sein, besonders von männlichen Instrumentalisten. Da sie aber doch nicht ganz alleine sein wollte, gab sie ihrer Gitarre den weiblichen Namen Ayla und nahm sie mit ins Boot. Es sollte eine Art Frauenprojekt werden, unabhängig von anderen, aber doch nicht allein. Schnell bot sich ihr die Möglichkeit, in einer Strandbar aufzutreten, gemeinsam mit anderen Künstlern und auch alleine. Spielte sie am Sonntagnachmittag auf der Bühne, bekam sie Kost und Logis fürs ganze Wochenende – ein fairer Deal.

Generell funktionierten ihre Auftritte in Brasilien anders als hier in Deutschland. Dort wird fast erwartet, dass sie große Hits von bekannten Bands covert. Die Leute finden eigene Stücke schon toll, hören aber dennoch lieber das, was sie kennen, wo sie mitsingen können. Zurück in Berlin kann Anna dann einen ganzen Abend lang ihre eigenen Sachen spielen. Da kann sie auch mal den Text vergessen und Strophen einfach zweimal singen, ohne dass es jemand bemerken würde. Bei international bekannten Liedern ist dies schon schwieriger. Die Angst, Passagen zu vergessen, ist Annas große Nervosität bei Auftritten. Doch die verfliegt meistens ganz schnell während der ersten paar Minuten des Auftrittes.

Auch auf dem Konzert wirkte sie von Minute zu Minute sicherer, erzählte die Geschichten, als ob sie es schön seit Jahren täte. In der zweiten Hälfte setzte sie sogar einen Hut auf um an Michael Jackson zu erinnern. Sie sei kein großer Fan gewesen, fand aber seine Musik dennoch sehr gut und inspirierend. Der Hut hatte auch eine andere Funktion: Am Ende gab Anna ihn rum, Gage bekommt sie von der Bar nicht. Der Song Earth von Micheal Jackson war auch einer der wenigen Coversong in dem Programm. Hier in Deutschland wird erwartet, dass die performenden Künstler auch Autoren sind von dem was sie vortragen. Doch damit hat Anna kein Problem, ihr eigenes Repertoire reicht bis zu 1 ¾ Stunden. Genug, um einen Abend gut auszufüllen. Eine CD hat sie auch in Brasilien produziert, die mittlerweile jedoch schon fast vergriffen ist. Eine Neuauflage ist geplant.

Wie es mit Anna und Ayla in Zukunft weiter geht, ist noch nicht ganz klar. Auf jeden Fall versucht sie immer ein paar Konzerttermine in Aussicht zu haben. Allerdings auch nicht zu häufig, da es schwer sei, jede Woche eine Bar mit Publikum zu füllen. Deshalb möchte sie ihre Auftritte auch etwas differenzieren, vielleicht mal auf einer Vernissage spielen, an einem Filmprojekt musikalisch mitwirken und auf Festivals singen. Ein Brasilienaufenthalt sei auch schon geplant, mit Aussicht, wieder in der Bar spielen zu können, wo alles angefangen hatte. Back to the roots.


Für weitere Infos: http://www.myspace.com/annaayla

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen