Samstag, 30. Januar 2010

Schein

Die Chancen sich als Funkband in Deutschland zu etablieren


Heutzutage ist Funk Dank der beiden neuen Alben von Jan Delay wieder etwas mehr im kollektiven Bewusstsein, dennoch sprießen keine Funkbands aus dem Boden, die meisten jungen Musiker versuchen sich im Hiphop, Metal, Indierock und in letzter Zeit auch viel im elektronischen Bereich.

Ich habe mich nun mit der 8-köpfigen Funk-Kombo „Schein“ darüber unterhalten, wie die Band ihren eigenen Stil gefunden hat, wie schwer es ist, mit Nischenmusik zu expandieren, über ihre Pläne für 2010 und natürlich über Roberto Blanco.

Ich treffe Georg, den Sänger, und Le Treu (Drums) im „Scheinland“, einer von der Band selbst zum Studio und Proberaum umgebauten Fabrikhalle in Freising bei München.


Inpopnito: Euer neues Album heißt „wir sind der Funk“, wie sieht dieses „wir“ bei einer 8-köpfigen Band aus? Wie schreibt man in einer so großen Gruppe Songs?

Georg: Grundsätzlich ist es so, dass wir die Songs nicht zu acht schreiben, wir spielen gerne zu acht live, weil das natürlich unglaublich viel Spaß macht, aber eigentlich schreiben wir die Lieder zu viert. Gitarre, Bass, Schlagzeug und Gesang. Manche erjammen wir die Sachen, manchmal kommen von mir textliche Ideen, denen wir versuchen ein Gewand zu geben. Aber ganz viel macht unser Bassist, der M.W., der schreibt viel am Computer und dann spielen wir das erstmal zu viert, die Bläser sind im Songwriting nicht dabei.

Die stoßen dann also erst später dazu. Bekommen die dann notierte Linien oder werden diese selbst erarbeitet?

G: Teils teils, manchmal haben wir schon Ideen und dann wird das mit Bläsern im Vorhinein arrangiert, oder die Jungs haben selber gute Gedanken, sind ja alles tolle Musiker.

Ihr spielt seit fast zehn Jahren Funk, eine Genre, von dem man in den Jahren eurer Gründungs- und Findungsphase (um 1999) eigentlich gar nichts gehört hat. Wie und warum habt ihr damit begonnen? Was hat euch da geritten?

Treu: Wir spielen schon sehr, sehr lange zusammen und haben uns damals, wie fast alle Bands zu der Zeit, im Grunge beheimatet gefühlt, weil jeder, der eine Gitarre halten und 3 Akkorde spielen konnte damals Nirvana geil fand, und uns daraus dann entwickelt. Wir haben dann ohne konkreten Plan die Red Hot Chili Peppers lieben gelernt, vor allem das Jahrhundertalbum „Blood Sugar Sex Magic“, das uns dann alle inspiriert hat, doch waren ganz viele Einflüsse dabei. Der Georg hat zur der Zeit viel Selig und Keimzeit gehört. Ich hab mich dann auch eher an härterem Sound orientiert (lacht), am Anfang zumindest, und eigentlich ist dann unser Bassist, der M.W. in die Funkecke gekommen. Das hat sich dann alles vermischt und dadurch, dass wir alle den Slapsound von Flea (von den RHCP) geil fanden sind wir zu unserer Musik gekommen, aber wir waren eigentlich weiterhin offen für alles. Schließlich haben wir uns dann Kumpels mit Blasinstrumenten dazugenommen und die haben dann ein bisserl mitgespielt und daraus ist dann eine feste Bläsersektion geworden. Im Prinzip haben wir seit 2001 diesen „klassischen“ Bläsersatz (also Trompete, Posaune und Saxophon) dabei. Das hat sich dann alles in diese Richtung entwickelt. Es mutiert aber alles ständig, am Anfang haben wir uns von Tower of Power inspiriert an real Funk versucht, dann eine Jamiroquai-Phase, dann wurde es ein bisschen poppiger, aber wie schon ein paar mal erwähnt (lacht) ist Alles im Wandel. Das Einzige, was konstant ist, ist die Besetzung. Achja, Rage Against The Machine sollte man auf jeden Fall auch noch erwähnen, hat sicher auch was beeinflusst, da kommt diese Crossovergeschichte mit Sprechgesang her.

Jetzt hat Jan Delay diesen Sommer sein zweites Funkalbum veröffentlicht und diese Musik dadurch in die öffentliche Wahrnehmung gebracht. Wie beurteilt ihr diese Entwicklung und glaubt ihr davon eventuell profitieren zu können?

Treu: Ich finds auf jeden Fall gut, weils definitiv einfach gute Musik ist. Jan Delay legt den Fokus, abgesehen davon, dass er natürlich eher als Texter und Rapper im Vordergrund steht, auf gute Bandarbeit. Das heißt, er spielt mit einer Top-Band und er scheißt sich nichts, er orientiert sich nicht an irgendwelchen Regeln, die ganze Geschichte, gerade die aktuelle Platte ist ziemlich low und oldschoolig produziert, und das Ganze bestätigt einem schon, dass man eigene Wege gehen kann. Natürlich ist Jan Delay wahnsinnig populär, der kann eigentlich alles machen, keine Ahnung der hätte auch irgendwelche Death Metal Geschichten machen können und das wäre beachtet worden, insofern gehe ich jetzt mal nicht von einem Funk-Boom in den nächsten Jahren aus. Aber wie gesagt finde ich die beiden Alben einfach gut, wobei man sagen muss, dass wir eigentlich eher in die Funkrock oder Crossover Richtung gehen, nicht wie Jan Delay real Funk oder Discofunk machen.

Wie man in euren Tourtagebüchern sehen kann, seid ihr in Süddeutschland, sowie in Österreich und der Schweiz sehr präsent, im Norden geht dagegen fast gar nichts. Woran liegt das?

G: Zum einen ist es allgemein teuer eine 8-köpfige Band zu buchen, aber zum anderen denke ich, dass die Gagen im Norden einfach noch schlechter sind als hier, du bekommst zum Teil überhaupt nichts für die Anfahrt und pennst in irgendwelchen abgefackten Backstageräumen, das heißt wir müssten drauf zahlen um oben zu spielen und das ist es uns dann doch nicht wert. Außerdem ist es schwer mit unserer Musik in einer fremden Stadt zu spielen, weil es nunmal nicht so einfach ist 200 oder 300 Leute zusammenzubringen, die sich alle für Funk interessieren. Dementsprechend können wir den Clubbesitzern nicht garantieren, dass ihre Läden voll werden und wir wollen einfach nicht draufzahlen, um dann vor 5 Punks zu spielen, die uns nicht kennen. Deshalb spielen wir zur Zeit viel im Süden, wo uns die Leute kennen und mögen und zu den Konzerten kommen. Klar wollen wir auch unbedingt in Berlin und so weiter spielen, aber momentan würde sich das nicht lohnen.

Tr: Spielen und am Ende steht eine schwarze Null, das ist Idealismus, und voll Ok, aber draufzahlen führt dann einfach zu weit. Im Prinzip lechzen wir förmlich danach im Norden zu spielen und im ganzen deutschsprachigen Raum präsent zu sein, die großen Städte abzuklappern, aber dazu muss man halt die Unkosten reinkriegen, Busmiete, Hostels und so weiter.

G: Deutschland nähert sich in der Hinsicht immer mehr England an, ich war da neulich mit einer befreundeten Band unterwegs. Die Bands pennen in wirklich ekligen Backstageräumen aufm Boden und das ist dann nicht mehr so richtig geil. Ich weiß nicht, ob das was mit der Finanzkrise zu tun hat oder der Krise der Muiskindustrie allgemein, aber es ist momentan einfach schwer gerade eine so große Band zu refinanzieren. Trotz unseres tollen Labels Red Farm Records, man muss ja mal Werbung machen, geht über Plattenverkäufe eigentlich fast gar nichts, wir finanzieren uns durch Merchandising und eben viel live spielen. Viel geht halt über T-shirts verkaufen und so. Aber ich finde es schon ziemlich geil, wie weit wir gekommen sind, das schaffen die wenigsten Bands, dass sie sich ein eigenes Studio selbst finanzieren können und für längere Touren mit 10 Gigs oder so gebucht werden. Da sind wir schon auch in bisschen stolz drauf, es gibt ja nichts Schöneres als Live die Leute zum tanzen zu bringen, und wenn sich das dann finanziell auch noch einigermaßen lohnt, ist das schon geil.

Und jetzt habt ihr für euer neues Video Roberto Blanco engagieren können, wenn man den Fotos auf eurer Facebook Seite trauen darf. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?

G: Ja, das war eine geile Geschichte… Wir haben unsere letzte Platte „Wir sind der Funk“ aufgenommen und hatten da von der Studiozeit her noch Platz, wir wussten nicht wie viele Songs wir noch aufnehmen und dann haben die Jungs, ich war da gar nicht dabei, eine ältere Idee von mir umgesetzt, nämlich „Play that funky music, white boy“ von Wild Cherry, das kennt jeder (summt verträumt vor sich hin), eingespielt und ich hab nen deutschen Text drüber gemacht, und dann haben wir das eingesungen. Das Ganze klang dann schon ganz fett , aber wir haben uns gedacht, es wär ja ganz geil ein Feature dafür zu bekommen, der die Hook cool singt, und dann haben wir rumüberlegt, bis irgendjemand dann brainstormingmäßig Roberto Blanco in die Runde geworfen hat. Wir haben uns bepisst vor Lachen, ich mein, der Typ ist einfach ein Knaller. Dann haben wir ihm eigentlich nur spaßeshalber das Zeug geschickt und gedacht: „wird ja eh nichts…was sollte der Typ mit uns machen wollen oder vielleicht kommt er sich ja nur verarscht vor“. Und ja, 2,3 Tage später war dann aufm Anrufbeantworter der O-Ton (macht Roberto nach): „Ja Hallo hier ist Roberto, ich würde das gerne mit euch machen, es funkt sehr gut, haha.“ Und dann kam er 2 Wochen später an und hat das eingesungen und es war echt witzig. Der Typ kam echt immer gut gelaunt und relaxed rüber , muss man sagen, und dann haben wir gleich noch ein Video dazu gedreht und das Ganze ist dann schon ziemlich witzig, weil halt einfach mal Roberto Blanco zu mir meint: „Spiel die Funkmusik, du Weißbrot.“ War halt eine echt witzige Geschichte und wir hoffen mal, dass damit nächstes Jahr irgendwas geht, wir wissen noch nicht genau, wie wir das veröffentlichen, aber wir hoffen halt, dass dann vielleicht auch bookingmäßig mehr für uns möglich ist, mal schaun. Wir haben uns für 2010 überhaupt vorgenommen richtig viel zu spielen und basteln grad schon an ein paar neuen Songs für ein neues Album, ich glaube nächstes Jahr wird ein gutes für den Schein!

Dann habt ihr gleich meine abschließende Frage mit beantwortet, wie's mit nächstem Jahr aussieht, ich wünsch euch alles Gute für die Zukunft und wir sehen uns dann vielleicht bald in Berlin.

Tr: Ja, wär echt cool, wenn demnächst was in Berlin geht, ansonsten kann man nur jedem empfehlen einfach mal unter scheinland.de reinzuschauen und sich die Sachen anzuhören und wems gefällt, der kann am 26.12. zum 10. Scheinachten nach Freising kommen, da kommen neben uns noch 2 richtig gute Bands und natürlich wir, wird sicher toll!

Montag, 18. Januar 2010

Matisyahu, die Achte

Light
von Martin Pfaffenzeller


Light, der Name des neuen Albums von Matisyahu ist Programm. Es ist das Ziel des New Yorkers den Hörer mit seiner Musik zur Erleuchtung zu bringen.

Exemplarisch für den missionarischen Anspruch des Albums ist für mich der Song We Will Walk. Nach einem etwas dünnen, poppigen Part setzt, unterstützt von einem fetten, fast epischen Sound, der Chor ein, der dem Hörer die Botschaft einhämmern soll. "You are not alone", du bist nicht allein, es gibt mehr, als man anfassen kann, es gibt etwas Höheres. Man wird davon in gewisser Weise überrollt, kann das Alles einen kurzen Moment nachvollziehen, fühlt sich geborgen. Doch diese Erhellung ist zumindest bei mir nur von kurzer Dauer, etwa zwei Sekunden, dann kommt auch schon flugs der Gedanke, was dieser pathetische, kitschige Schmarrn eigentlich soll. Beim analytischen Hören dann, wenn man auf den Text achtet, wird einem das Ganze etwas unheimlich, Passagen wie "We will walk until my blood runs out, until my heart is burned" oder "Patience on top of a mountain, Pumping blood through the veins of creation" animieren nicht wirklich zum auswendig Lernen und Mitsingen.

Für "bereits Bekehrte" ist Light sicher ein tolles Album und es funktioniert live ziemlich gut, wie man bei den Live-Mitschnitten in Videoportalen oder auf der Homepage des Künstlers sehen kann, doch hier inszeniert sich Matisyahu wie auch im offiziellen Video zur Single One Day für meinen Geschmack zu sehr als Prophet.

Aufgrund dieses weltanschaulichen Aspekts fällt es mir schwer das Album rein musikalisch zu bewerten und da ich mich bisher noch nicht wirklich mit Matisyahu auseinandergesetzt habe, weiß ich nicht, ob ich das Ganze vielleicht überinterpretiere. So kann ich nur jedem raten, sich ein eigenes Bild vom polarisierenden Künstler Matisyahu zu machen.

Matisyahu, die Siebente

Light
von Martin Alex


Matisyahu bringt Licht ins Dunkle
Der orthodox jüdische Amerikaner rappt und singt über seine Religion und den Frieden

Drei Jahre war es ruhig um den vollbärtigen Musiker - ein Song wie King Without A Crown, seine Erfolgssingle aus vom letzterschienenen Album Youth, muss auch erst einmal übertroffen werden. Nun ist sein neues Album Light erschienen, mit dem sich stilistisch einiges getan hat. So ist das Album eine Reise durch alle erfolgversprechenden Genres der Popmusik geworden. Von Rocksongs wie So Hi So Lo über R'n'B anmutende Tunes, wie bei We Will Walk bis zum Hip Hop-Feeling in Smells Lies ist alles dabei.

Mit der ersten Single One Day hat Matisyahu ein wirklich großes Stück Musik abgeliefert. Das Rezept macht schon beim Lesen Geschmack: Man nehme einen kräftigen Bass, eine eingängige Hug Line sowie etwas Synthi-Gespiele und lässt das Ganze zu einer ausgefeilten Produktion mit auffälligen Effekten langsam garen. Fertig ist eine Hymne, in der man förmlich die Sonne aufgehen sieht.

Im Gegensatz zu dieser Single ist der Rest des Albums eher durch stark verzerrte Gitarren dominiert. Wen wundert es, wenn David Kahne (The Strokes, McCartney) das Album produziert hat. Matisyahu als Reggae-Artist zu betiteln wäre folglich nicht vertretbar. Zu unterschiedlich und zu untypisch Reggae klingen die Songs. Auch wenn Beat-Bezogenheit und Synthi-lastiger Sound nicht unbedingt im Widerspruch zum Reggae stehen muss, ein typisches Feeling kommt trotzdem nicht auf.

Die Besetzung erinnert mit Gitarre, Bass, Schlagzeug, Keyboard und Gesang auch eher an eine Rock-/Indie-Combo. Matisyahu geht seinen eigenen Weg – sollte man meinen - dabei fällt beim Hören des Albums auf, dass der gute Matthew Miller hier kein Risiko eingehen will. Keine gewagten Kunstgriffe, sondern eher standardisierte und fast schon überproduzierte und "verpoppte" Songs sollen ein breites Publikum ansprechen.

Matisyahu, die Sechste

Light
von Elisabeth Loose


Immer wieder wurde das Erscheinungsdatum von Light verschoben. Sollte Matisyahus 3. Album eigentlich Anfang 2008 auf den Markt kommen, so ist es nun Oktober 2009 geworden. Hat sich das Warten gelohnt?

Im gesamten Album verbindet Matisyahu Elemente des Reggae, Rap und auch Rock und kreiert damit seinen ganz eigenen Stil. Schwere, klebrige Bässe in We Will Walk auf der einen Seite, zurückhaltende Gitarrenbegleitung in Silence auf der anderen. Er versteht sich darauf, eine enorme Vielseitigkeit in seinen Songs unterzubringen und setzt damit Themen wie Glaube oder Liebe gekonnt in Szene. Besonderer Leckerbissen dieser Platte: One Day. Ungewöhnlich instrumentiert für ein Reggae-Stück (z.B. Streicher im Hintergrund) macht das in Verbindung mit dem Text gerade den Reiz der Nummer aus. Es geht weniger um Religion wie in seinem letzten Album, sondern um Freiheit, Frieden, Gleichheit. So abgegriffen das scheinen mag, dem jüdischen US-Amerikaner gelingt es diese Themen neu und vor allem unverbraucht zu verpacken. Er selbst betont in einem Interview: "One Day is the song I’ve been wanting to make since I started my career,[…] It is an anthem of hope with a big beat — the kind of song that makes you bob your head and open your heart at the same time." Er hat Recht, dieser Song wie auch das Album öffnen beim Zuhören das Herz. Das Warten hat sich gelohnt.

Matisyahu, die Fünfte

Light
von Henrike Gallmeister


Light – der vielversprechende Titel des neuen Albums Matisyahus. Was können wir diesmal von dem New Yorker Raggae- und Hip-Hop-Artist erwarten? Einen leichten Mix aus Raggae, Dancehall und Pop, ähnlich wie in seinem ersten Album Youth? Oder spielt der Name eher auf die spirituellen Elemente seiner chassidisch-jüdischen Wurzeln an?

Beim ersten Hören zumindest fäll es eher schwer, den bärtigen Mann mit schwarzem Hut und Mantel mit den Tunes der CD in Verbindung zu bringen. Doch schon die einleitenden Klänge des ersten Tracks Smash Lies haben einen orientalischen Touch und schlagen sofort die Brücke zwischen jüdischen Melodien und hartem Dancehall. Auch die Genres aller weiteren Songs decken ein schwindelerregendes Musikspektrum ab. So begibt sich Matisyahu auf eine akustische Reise von New-Wave-Ska (We Will Walk) und entspanntem Rock-Pop (So Hi So Lo) über Singer/Songwriter-Charme (I Will Be Light) bis hin zu knackigen Dancehall-Beats (Motivate).

Spätestens in dem abschließenden Gebet (Silence) glaubt man dem 29-jährigen seine Botschaft: "Ich möchte, dass meine Musik eine Bedeutung hat, dass sie Menschen berührt und sie zum Nachdenken anregt." Seine Lieder sind beeinflusst und inspiriert von der Religion, der Lehre, die ihn inspiriert. In seinen Texten möchte der Künstler den wesentlichen Dingen auf den Grund gehen und ihre Essenz begreifen.

Genau diese Motivation verleiht dem Album eine spirituelle Kraft und einen inneren Glanz, wie man es seit Bob Marley nur noch selten in der Reggae-Branche findet.

Will man nun das Album Light in eine Genre-Schublade stecken, so tut man wohl besser daran, die Musik als einen komplexen musikalischen Mix zu verstehen, der jegliche Bandbreite des akustischen Spektrums abdeckt. Es sprengt einfach jegliche Erwartungen und lässt den Zuhörer stets in Ungewissheit, wohin sich die Reise des nächsten Songs begeben mag.

"Jeder scheint es Raggae zu nennen, ich nenne es Musik.", sagt Matisyahu selbst über seine neue Platte, die eine ganz eigene Dynamik hervor bringt.

Matisyahu, die Vierte

Light
von Friederike Schmidt


„Mit der Weiterentwicklung meines Musikgeschmacks habe ich meinen eigenen Sound und meine Stimme neu entdeckt“.

Diesen Eindruck gewinnt auch der Rezipient der neuen Platte Light des Künstlers Matisyahu. Es ist sein drittes Album, welches nach fast dreijähriger Schaffensphase dem Album Youth gefolgt ist. Der Künstler, ein von jüdischen Eltern liberal erzogener Amerikaner, hat in seiner Jugend auf der Suche nach seiner Zugehörigkeit als Folge einer Jerusalem-Reise zum chassidischen Judentum gefunden und seine Musik seither mit jiddischen und hebräischen Inhalten gefüllt. Im Vergleich zu seinem letzten Album sind pure jüdische Inhalte jedoch rarer geworden und Texte friedensstiftenden Charakters finden Raum.

Musikalisch lässt sich der Sound nicht so einfach einer Stilrichtung zuordnen. Die Arrangements sind sehr vielfältig, sodass man genau hinhören muss, um die vielen Details und verschiedenen Stile zu entdecken. Dem letzten Album zufolge ist es nicht falsch, die Musik dem Reggae zuzuordnen, letztendlich gibt es jedoch eine Weiterentwicklung in der Musik, dessen vielfältiges Ergebnis Aufmerksamkeit geschuldet ist. Von rockigen Gitarrensounds, über Hip-Hop/Rap mit Beatbox, begegnet man Elementen aus dem Dub, sowie poppigen Refrains und Gesangspassagen, sogar unter Einsatz eines Kinderchores, die für schöne Ohrwürmer sorgen. Geigen-, Cello- und Klavierbackgrounds verschaffen dramatische Höhepunkte. Die Kompositionen haben eine gewisse Anziehungskraft, vielleicht aufgrund des spirituellen Hintergrundes, in dessen Zusammenhang Matisyahu den "chassidischen Reggae" geprägt hat, und dabei versucht, eine Verbindung zwischen klassischem Judentum und der Moderne zu schaffen. Nicht grundlos hat das Magazin Esquire ihn als den "faszinierendsten Reggaekünstler der Welt" bezeichnet. Sowohl seine Welt der Musik, als auch die Geschichte des Menschen Matisyahu, der dahinter steckt transportieren eine wertvolle Botschaft von Liebe, Werten und Moral, die sehr hörenswert ist.

Matisyahu, die Dritte

Light
von Laura Weber


Matisyahu meldet sich nach drei Jahren intensiver Arbeit mit seinem neuen Album Light zurück. Bereits mit dem letzten Album feierte der chassidisch-jüdische Künstler mit dem markanten Bart und eingängigen Reggae-Klängen beachtliche Erfolge und landete mit King Without A Crown einen Top-40-Hit. Mit Light liefert der inzwischen 29-jährige New Yorker eine neue Spitze in der Geschichte seines Schaffens.

Der Sound lässt sich nicht mit drei Worten abtun, zu viele verschiedene Stile treffen in dem Werk aufeinander. Er vereint Reggae, Funk, Pop und Soul bis Rock und Elektro und sorgt musikalisch somit für Abwechslung. "Mit der Weiterentwicklung meines Musikgeschmacks habe ich meinen eigenen Sound und meine Stimme neu entdeckt", beschreibt er die Vielfalt der 14 Songs. Mit diesem Schritt ermöglicht er einerseits dem weniger Reggae-affinen Hörer den einen oder anderen Ohrwurm, wird aber vielleicht eingefleischte Stammhörer nicht vollends zufrieden stellen können. Teilweise wirken einige Titel wie We Will Walk oder Escape mit einem breiten Spektrum an Effekten überladen und überproduziert. Richtig klassische Reggae- oder Dancehallsounds finden sich nur in wenigen Songs wie Struggla und Thunder, ansonsten dominieren Passagen und Elemente die einem oft bekannt vorkommen und sich leicht einprägen, wie die Melodieführung in One Day mit dem hymnenartigen Refrain. Einen Bruch bringt der lieblich, träumerische Abschlusssong Light, der meditativen Charakter besitzt und an dieser Position perfekten Ausklang bietet.

Textlich bewegt sich Matisyahu in üblichen Thematiken wie Freundschaft, Liebe und das Leben. Der religiöse Zeigefinger wird nicht erhoben, auch wenn er aus seinem Glauben kein Geheimnis macht.

Mit Light erwartet den Hörer ein abwechslungsreiches Album eines vielseitigen Künstlers, das keine Langeweile aufkommen lässt und sowohl zum Nachdenken, als auch zum Träumen und Tanzen anregen kann.

Matisyahu, die Zweite

Light
von Julia Wechler


Matisyahu – nach seiner erfolgreichen Platte Youth erscheint nun das zweite Album des chassidisch-jüdischen Künstlers aus New York. Die neue Produktion Light wirkt im ersten Augenblick wie sein Vorgänger, doch die vierzehn von David Kahne produzierten Songs zeigen ein enorm breites musikalisches Spektrum. Einiges ist noch beim Alten geblieben und so passen beispielsweise die erste Singleauskopplung One Day oder der Song Thunder unter sein Reggae-Etikett.

Der bärtige Mann mit Hut zeigt jedoch mit der Platte seine wachsende Bandbreite. Es geht eindeutig beatlastiger zu als noch bei Youth und neben Reggae- und HipHop-Elementen sind u. a. auch Rock-Pop (So Hi So Lo), Dancehall (Motivate, Smash Lies) und Folksoul (I Will Be Light) vertreten. Er präsentiert sich als ungemein wandlungsfähiger Vokalist und auch instrumental ist von Elektrospielereien (For You) über Streichermelodien (So Hi So Lo) und breiten Gitarrenwänden (Darkness Into Light) alles vertreten.

Das Album schickt den Hörer auf eine Reise und hält ständig neue Überraschungen bereit. Light ist eine gelungene zweite Runde des Matisyahu und auch wenn sich die Musik geändert hat, ist die Botschaft seiner Songs doch die gleiche geblieben.

Matisyahu

Light
von Mike Korsonewski


Matisyahu hat seit diesem Herbst ein neues Album auf Sony BMG veröffentlicht. Als es vorletzten Monat auf dem deutschen Markt erschien, wurde heiß darum diskutiert: Wohin geht der junge Dancehall-Reggae-Nachwuchskünstler!? Eine Ausnahmepersönlichkeit ist er in der Vergangenheit auf jeden Fall gewesen. Leider muss man von seiner neuen Scheibe ein nüchternes, enttäuschtes Fazit ziehen.

Mit dem ersten Track Smash Lies macht Matisyahu den Sound des Albums klar. Überladene Dancehallbeats, mit fetten Downbeats überraschen den Hörer nicht mehr. Es fällt einem schwer, seinem Textaufruf "dream away" zu folgen, vielmehr reiht er sich in das einfache Party-Yeah-Hip-Hop Genre um LilJohn und Freunde ein. Die weiteren Songs von "Light" schrammen an der erhofften Innovation Matisyahus vorbei, die er vor drei Jahren auf "Youth" brachte. Mit Struggla reflektiert er nochmal auf das Macho-Image, welches er im Album präsentiert, und versucht dieses gleichzeitig zu kritisieren. Unglücklicherweise unterstreichen seine Clapbeats und Bassdrumarrangements die allgemein zu prollige Note des Albums. Kontrast versucht Matisyahu durch Tracks wie I Will Be Light, We Will Walk oder For You zu geben. Doch was für ein Kontrast ist das!? Während I Will Be Light wenigstens auch ein unbeschwertes Gefühl vermittelt, teilweise durch drollige Backing-Vocals und kitschige Lyrics, sind We Will Walk und besonders For You Pop-Songs First Class à la Britney Spears.

Einzig und allein Darkness Into Light vermittelt ein besseres Bild auf diesem Album. Rockige Gitarrenparts und abwechslungsreiches Composing machen den Song zu einem Klangerlebnis. Mit Sonderteilen, bestechend durch flippige Mundakrobatik, zeigt Matisyahu leider erst beim 11. Track (von insgesamt 13 auf der Platte) seine Fähigkeiten.

Mit 2009 und Light tut sich für Matisyahu nicht die beste Albenproduktion auf und man muss hoffen, dass der einstige jüdische Dancehall-Reggae-Nachwuchskünstler sich in Zukunft weniger von den Pop-Reglern im Studio hinreißen lässt.

Fleur Earth, die Zweite

Es Entstehen Wesen
von Johannes Maibaum


Die Tatsache, dass ihr letztes Album erst im März diesen Jahres erschienen ist, ist für Fleur Earth kein Grund sich zurückzulehnen. Getreu ihrer im Track „Spiegelbild“ proklamierten Forderung „die Welt braucht mehr vom guten Sound“, wirft die Künstlerin mit „Es entstehen Wesen“ ihre bereits dritte Silberscheibe binnen 13 Monaten beim Kölner Label Melting Pot Music (MPM) auf den Markt. Doch nachdem sie auf „Soul des Cabots“ (März 2009) mit ihrer Band „Fleur Earth Experiment“ zu hören war, besinnt sich die junge Sängerin nun wieder auf das eher minimalistische, Lineup ihrer Debüt-EP „Skurreal“ (September 2008). Zwar sind in einzelnen Tracks Gäste wie C:Mone, Hulk Hodn, Frank Nitt, Retrogott und Daan (Rhodes) zu hören, doch den Löwenanteil leisten zwei Personen: Fleurs charakteristischer Sprechgesang wird von den Beats aus der Feder ihres Freundes und Bandkollegen aus dem Experiment Twit One untermalt.

Dieser erweist sich ein weiteres Mal als Garant für einen sehr ausgewogenen und entspannten, geradezu smoothen Sound, der nie überladen daherkommt. Musikalisch bedient sich Twit One sowohl im klassischen Soul der 70er und im frühen Hip-Hop, aber auch Ausflüge in jazzigere Gefilde hört man beispielsweise in „Warf's Tuch“. Hier werden ein weiteres Mal Fleur Earths Einflüsse deutlich, die zu großen Teilen für ihren Erfolg in dieser kurzen Zeit verantwortlich sind. Denn ihr „Straßenkötersoul“ grenzt sich dadurch erfrischend ab von den opulenten R'nB- und HipHop-Veröffentlichungen, die in den letzten Jahren zuhauf den Weg über den Atlantik schafften.

Und es kann nur von Vorteil sein, wenn eine deutschsprachige Soul-Künstlerin ihre lyrische Inspirationsquelle mit Goethe und nicht mit Xavier Naidoo benennt. Die Erfolge des Mannheimer Sohns in allen Ehren, doch innovativ war dieser in den letzten Jahren selten. Was Fleur Earth hier jedoch vorlegt, ist in keinster Weise altbacken oder banal. Ihre Texte strotzen vor Geheimnissen, die einem lange Zeit keine Ruhe lassen, und einen die Scheibe immer und immer wieder hören lassen.

Man darf gespannt sein, wie lange wir wohl auf die nächste Scheibe warten müssen – hoffentlich nicht allzu lang. Doch nutzen wir die Zeit bis dahin, um „Es entstehen Wesen“ auf uns wirken zu lassen. Denn diese Musik ist es wert, ja verlangt es aufgrund ihrer textlichen Tiefe geradezu, sie mit Bedacht zu genießen. Sie entspannt und fordert zugleich heraus, ihre Geheimnisse zu ergründen, denn bloß zu konsumieren wäre bei Fleur Earths Soul reine Verschwendung. Mit Fleurs Worten aus „Warf's Tuch“ gesprochen: Ich „danke nochmals für diese Flut“!

Fleur Earth

Es Entstehen Wesen
von Gregor Feller


Das FLEUR EARTH EXPERIMENT sprießt ab Oktober 2009 erneut aus dem Untergrund hervor und wird eventuell nie wieder dahin zurückkehren. Musik aus dem Wohnzimmer für das Wohnzimmer, die in lyrischer Offenheit ein weiches, wohltuendes Tuch zum Einfühlen bereit hält.

Die erdverbundene Blume „Fleur Earth“, Sängerin und Zentrum des Experiments, hat ihre Wurzeln auf vielen Böden der Welt getrieben. Gesprossen in der DDR wuchs sie in früher Jugend ihrer gefühlten Heimat, der Republik Kongo, entgegen, um darauf, und bis heute, als Afro-Deutsche ihre Blüten in Köln zu tragen. Durch Mitmusiker unterstützt pulsiert die afrikanische Seele im eigenständigen Klanggewand und gibt die erstaunlich authentische deutsche Antwort auf die Fragen nach neuem Soul. Der neueste Pollenflug geht vom fruchtbaren Langspieler „Es entstehen Wesen“ (Titel des neuen Albums) aus, der durch warme Brisen gesendet, viele neue bodennahe Wesen erschaffen dürfte. Ließt man die Botschaften der neuen Wesen scheint es fast als könnten Blumen aufgrund ihrer lyrischen Botschaften schreien, bleiben dabei aber dennoch ihrem sanften, melancholischen Äußeren treu. Destilliert man ihre Gesamtheit bleibt vom Ruf nach Freiheit und Neuerschaffung ein entspannendes Gefühl der Stärke zurück, denn: „Alles fließt in eine Richtung“ (Songtext-Zitat); nicht nur beim direkten, akustischen Empfang der Wesen, sondern auch danach, wenn aus stiller Musik, die doch so laut ist, wieder Stille wird.

Ghana Special

Modern Highlife, Afro-Sounds, Ghanaian Blues 1961-1981
von Anja Fürstenberg


Mit schnellen Funkrhythmen, kraftvollen Blechbläsereinsätzen, gemütlichem Reggae und melodiösen Soulstimmen, lädt das Album zu einer musikalischen Reise nach Ghana ein.

Ghana Special enthält 33 originale und zuvor noch nicht veröffentliche Songs aus Ghana. Miles Cleret, DJ, Produzent und begeisterter Liebhaber afrikanischer Musik kam bei einer Reise durch Afrika auf die Idee unbekannte Musik zu sammeln. Daraufhin entstanden mehrere Alben mit Funk- und Fusionmusik aus Afrika. Darunter auch die Sampler Ghana Soundz Volume 1&2. Sein jahrelanges Reisen durch Ghana und Suchen nach unbekannter Musik in alten Plattenläden, bei Musikern, DJ's und Produzenten hat sich auch für sein drittes Album wieder vollkommen gelohnt.

Die Songs der verschiedenen Bands auf der Platte verdeutlichen, dass afrikanische Musik mehr als nur einfache Weltmusik ist. Vielmehr ist ein vielfältiges Verschmelzen zahlreicher Stilrichtungen zu finden. Musik spielte in Ghana schon immer eine wichtige traditionelle Rolle und war ein wichtiger Teil des Lebens. Unter dem Einfluss der westlichen Musik verbanden junge Musiker die vielfältigen traditionellen Perkussionstile mit neuen musikalischen Elementen des Jazz, Beat-style, Psychedelic u.a. Besonders in den 60er und 70er Jahren bildete sich in Ghana ein besonderer Fusionstil.

Auf traditionellen Percussioninstrumenten werden Funkrhythmen gespielt. Neben elektrischen Gitarren-, Bass- und Keyboardklängen ertönen kraftvolle Bläser, die rhythmisch vielfältige (Akoko Ba) oder melodieführende und singbare Parts (Enuanom Adofo) in den Stücken übernehmen. Kraftvolle Trommelpassagen, lassen den traditionellen Einfluss afrikanischer Rhythmen und Perkussionstile erkennen. Bei Stücken, wie You Can Go ergeben diese lebhaften Rhythmen zusammen mit den Stimmen der afrikanischen Sänger, im Wechsel mit den melodischen Bläsern wunderschöne tanzbare „Gute-Laune-Musik“.

Neben tanzbaren, lebhaften Stücken sind auch Songs, wie Tamale zu hören. Diese sind nicht weniger vielfältig, wirken durch langsamere kraftvolle afrikanische Gesänge und Bläsermelodien jedoch eher ruhig.

Mögen die afrikanischen Stimmen der Sänger und untypischen Klänge und Harmonien der Instrumente für das ein oder andere europäische Ohr auch ungewohnt klingen, sollte man ihre Vielfältigkeit genießen und sich von den lebendigen Rhythmen zum Tanzen einladen lassen.

Editors, die Fünfte

In This Light And On This Evening
von Michael Kwast


"Für uns stand von Anfang an fest, dass wir ein dramatisches drittes Album aufnehmen wollten. Und wir wollten die Bilder vor unseren Augen in Musik übersetzen", so Smith.

Wir treiben in der kühlen, industriellen Nüchternheit einer scheinbar "gottverlassenen" Stadt. Dreck. Dunkelheit. Einsamkeit. Die einzigen Indikatoren humanen Lebens scheinen Neonlichter der entfernten Skyline zu sein. Wir laufen, schwitzen, suchen. Plötzlich und unverhofft ein Lebenszeichen, dass so schnell wie ein Schmetterling auch wieder verschwunden ist. Wir sind in düstere Kälte eingesogen, wieder allein und suchen weiter. - Die Suche der britischen Band Editors scheint mit ihrem neu erschienen Album und der vorab veröffentlichen tanzbaren Synthie-Single Papillon ein vorläufiges Ende zu haben. Der kleine Schmetterling muss sich jedoch gegenüber den düsteren, zumeist sehr kraftvollen künstlichen Beats geschlagen geben, die, wie schon bei den zwei Vorgängern, durch die raue Bass-Stimme von Tom Smith vorangetrieben werden, um dann meist von einem Gitarreninferno aufgesogen zu werden. Dramatisch für den Schmetterling, musikalischer Hochgenuss für uns!

Mit ihrem kompromisslosen, dritten Album In This Light And On This Evening setzt das Quartett aus Birmingham um ihren Sänger Tom Smith ein klares Statement und ebnet den Weg zu neuen elektronischeren Sounds, bei denen die vier Jungs von Produzent Mark 'Flood' Ellis (Depeche Mode, U2, Nine Inch Nails) unterstützt wurden. Nach dem ersten Album The Back Room (2005) und An End Has A Start (2007) flattern sie weiterhin im Erfolgswind der fast schon inflationär verwendeten, klinischen Synthie- und Keyboardhooklines.

Verstörend, betörend - Das düstere, maschinell wirkende Gesamtpacket In This Light And On This Evening wurde mit altbewährter Technik ausgestattet. Das schier unerschöpfliche Repertoire der Editors bestehend aus schrammeligen Leidensakkorden, Themen um enttäuschte Liebe, der Verlust von Vertrauen in jene, die uns regieren und eine gottlose Welt werden passender Weise mit künstlich klingenden Gitarren des großen 80er Weltschmerzes gepaart. Die neue Symbiose könnte aus der veränderten Lebenssituation der Bandmitglieder resultieren, die sich, bis auf den Schlagzeuger Ed Lay, nicht mehr in Birmingham, sondern in den Metropolen London (Tom Smith) und New York (Bassist Russell Leech, Gitarrist Chris Urbanowicz) tummeln, was sich in der kühleren, urbaneren Atmosphäre des Albums widerspiegelt. Dass das Produkt nun völlig anders klingt, wäre jedoch übertrieben.

Ausgehend vom Purismus des ersten Tracks In This Light And On This Evening, indem mantraartig „I swear to God“ als Beschwörungsformel durch die Boxen dringt, kulminiert die permanent bedrückende Stimmung im eigenwilligen, schwer konsumierbaren "Eat Raw Meat = Blood Drool".

Der Drang nach Eskapismus vs. der Suche nach einem Ausweg oder einer (Er-)Lösung - Alles in Allem überzeugt das Album mit grandios-simplen Tracks, die schlicht und ergreifend große Poptunes darstellen... einfacher: sind. In This Light And On This Evening symbolisiert eine düstere Schönheit, so bizarr wie gefühlvoll.

Editors, die Vierte

In This Light And On This Evening
von Franziska Schuh


Wenn es einen Soundtrack zur Winterdepression gibt, dann wohl die jüngst erschienene dritte Platte der britischen Band Editors. Der Longplayer mit Namen In This Light And On This Evening nimmt den Hörer mit auf eine schaurige Reise durch eine dunkle Nacht, in eine düstere Stadt, in eine hoffnungslose Welt. Schon der gleichnamige Opener erinnert so gar nicht an die vergangenen Platten The Back Room oder An End Has A Start. Thematisch strotzten ebendiese auch nicht vor Heiterkeit – doch nun klingen die Editors weitaus hoffnungsloser, düsterer und noch verzweifelter als auf den Vorgängern.

Die frühere Last der Band war wohl der ewige Vergleich mit der musikalischen Übergröße Interpol, die ab 2002 fast alle Kritiker mit ihrem New Yorker New-Wave-Post-Punk begeisterte. Nun aber können Joy Division Fans oder Depeche Mode Anhänger hellhörig werden: In This Light And On This Evening klingt wie ein Sound-Potpourri der Dark-Wave bzw. Synthie-Pop Koryphäen. Was nicht unbedingt schlecht sein muss – es ist eben nur etwas einfallslos. Allerdings sind wohl Sänger Tom Smith und Konsorten nicht allein Schuld an dieser Misere: Produzent der düsteren Platte ist Mark Ellis, besser bekannt als Flood, der auch schon die Alben von Depeche Mode, U2 und Nine Inch Nails abmischte.

Egal ob Text oder Hookline, alles an der Platte erinnert an irgendetwas – an Winter beispielsweise, oder an Ian Curtis' dunkle Stimme. Gerade der eingängigste, ja regelrecht tanzbare Song Papillon erinnert gar an eine ganze Dekade: die 80er.

Eine Gemeinsamkeit des neuen Albums mit seinen Vorgängern ist die Monotonie, in die die Platte nach der Hälfte der Songs abdriftet. Hört man nicht aufmerksam zu, sind nach dem fünften oder sechsten Track nur wenig Unterschiede zwischen den einzelnen Liedern auszumachen, sie verschmelzen auf groteske Weise zu einem Ganzen, das – nicht nur in Dauerschleife gehört – etwas zu eintönig klingt.

Doch trotz all dieser Umstände und abgesehen von dem Pathos, der bei den Editors nun Einzug hält, ist In This Light And On This Evening kein schlechtes Album. Die Platte lässt sich leicht nebenbei hören, man kann sich entführen lassen in eine dunkle, hoffnungslose Welt und dabei hoffen, dass die Editors nicht ebenso den Plan verfolgen große Stadien zu füllen, wie es schon die Killers oder U2 taten.

Editors, die Dritte

In This Light And On This Evening
von Maja Schäfer


Eine Entwarnung vorab: An dieser Stelle werdet ihr euch nicht mit dem zigtausendsten Interpol-Editors-Vergleich konfrontiert sehen müssen und auch redundante Parallelen zu Joy Division bleiben euch erspart – versprochen. Auch wenn gerade letztere Assoziationskette beim neuen Editors-Album In This Light And On This Evening durchaus ihre Berechtigung hätte, denn das dritte Werk der Editors aus Birmingham ist – man glaubt es kaum – noch düsterer und morbider ausgefallen als seine Vorgänger. Aber wie heißt es so schön: Versprochen ist versprochen und deshalb kein Wort mehr zu Ian Curtis und Co.

Schon der namengebende Opener weist die Richtung: Tom Smith singt in der ersten Songzeile mit gewohnter Grabesstimme: „I swear to God“ – letzterer Kollege wird uns in den 9 Tracks übrigens noch öfter begegnen, insgesamt ganze 14 Mal, so dass die Songs zum Teil eher wie opulente Kirchenlieder wirken als wie die Aufnahmen der neuen Platte einer Rock-Band. Es bleibt nämlich nicht nur beim Gottesschwur, der Allmächtige soll darüber hinaus gefälligst aufhören sich so furchtbar ignorant zu geben und sich bitte melden – der Unmissverständlichkeit halber möglichst per Handzeichen. Aber genug zum Thema Religiosität, auch andere Sujets finden auf In This Light And On This Evening ihre musikalische Interpretation.

Die Anonymität der modernen Großstadt ist ansonsten der rote Faden, der das Album durchzieht – kaum verwunderlich, wo doch Ed Lay das einzige Bandmitglied ist, das seiner Heimatstadt Birmingham die Treue hält. Chris Urbanowicz und Russell Leetch hat es inzwischen nach New York getrieben und Tom Smith, stolzer Vater eines Sohnes, hat seine Zelte bis auf weiteres in London aufgeschlagen. Die englische Hauptstadt ist es dann auch, die im ersten Song des Longplayers als „the most beautiful thing I’ve ever seen“ beschrieben wird. Wir erinnern uns: „the sadest thing I’ve ever seen“ waren für Tom im vorangegangen Album noch die „smokers outside the hospital doors“.

Verlassen wir jedoch die finsteren Krankenhausflure und widmen wir uns der nicht minder dunklen Bariton-Stimme des Sängers, das unverwechselbare Erkennungszeichen jedes Editors-Songs. Da mögen unter Einfluss des renommierten Musikproduzenten Mark Ellis alias Flood noch so viele Synthesizer und elektronische Drumpads Einzug in die Musik der Editors gefunden haben – Smiths Pathos-beladene Stimme verleiht selbst dem kühlen, futuristischen und industriell-künstlichen Sound der neuen Platte eine gewisse Menschlichkeit, diesen Hauch von Melodramatik, der immer wieder nur knapp an ausuferndem Kitsch vorbeischliddert.

Diese Stimme macht es überhaupt erst denkbar, dass Tracks wie die großartige Single-Auskopplung Papillon trotz des unüberhörbaren nihilistischen Grundtenors der Platte und einer beachtlichen Überlänge von mehr als fünf Minuten selbst auf der Tanzfläche bestens funktionieren und tieftraurige Songzeilen wie „You will choke, choke on the air you trie to breathe“ von Indie-Clubgästen lauthals mitgegrölt werden, als würde Smith über Banalitäten wie das Wetter in Birmingham singen. Dass man das neue Album also hören kann ohne sich danach unverzüglich von der Tower Bridge zu stürzen, ohne komplett desillusioniert, verzweifelt und beängstigt zurückgelassen zu werden – darin besteht wohl die Kunst, nicht nur der letzten beiden grandiosen Longplayer, sondern auch von In This Light And On This Evening.

Beängstigend wird es dann allerdings doch noch und zwar, wenn man bedenkt, welche Klientel in Zukunft wohl die Stadien der Editors füllen wird: Der Track No sound but the wind findet sich auf dem Soundtrack zum Nachfolger des Vampir-Trash-Teen-Movies Twilight, der in seiner Uninspiriertheit, Schmalzigkeit und Unauthentizität all die Eigenschaften verkörpert, die der Band von bösen Zungen nachgesagt werden und gegen die sie sich seit jeher vehement wehrt. Ob diese Entscheidung dem Image der Editors gut tut, bleibt fraglich. Bleibt zu hoffen, dass das viele Beten zu Gott nicht umsonst war.

Editors, die Zweite

In This Light And On This Evening
von Franz Grosse


Editors- ...und die Laternen scheinen

Mit keinem konkreten Ziel wandle ich durch die dunklen Gassen einer Stadt, deren Kulisse in einen verschwommenen Nebelschleier gehüllt ist. Ratten wechseln die Straßenseite und Tauben flattern, erschrocken von meinen hallenden Schritten, in Richtung Mond. Keine Sterne, keine Menschen. Ich bin allein und doch umgeben von einer beängstigenden Atmosphäre mit tausend Gesichtern. Langsam öffne ich meine Augen und finde mich mit dem neuen Editors Album In This Light And On This Evening in den Händen auf meinem Wohnzimmersessel wieder. Fuck, denke ich, was ein Trip!

Der Drittling des Quartetts hat einige Überraschungen in Petto: es soll kein Konzeptalbum sein und dennoch ist ein Gemütswandel in Richtung Elektro deutlich zu erkennen. Die sonst so eingängigen Gitarrenriffs aus Songs wie All Sparks (The Back Room) oder Smokers Outside The Hospital Doors (An End Has a Start) wurden durch repetitive Keyboard- und Synthesizerloops ersetzt. Vielleicht liegt es an den neuen Lebensumständen, denn Bassist Russell Leetch und Gitarrist Chris Urbanowicz sind nach New York gezogen, während Sänger Tom Smith als junger Vater nun mit seiner Kleinfamilie in London lebt. Dem Gründungsort Birmingham ist als Einziger Drummer Edward Lay treu geblieben. Bekanntlich halten Fernbeziehungen solcher Art nicht lange, die Editors jedoch beweisen Zusammenhalt und durchdenken ihre Songs vorerst jeder für sich zu Hause am Computer. Per Mail werden dann Hörbeispiele und neue Ideen weitergeschickt und letztendlich gemeinsam komponiert. Und welche Band kann schon von sich behaupten, ihr Album in einem virtuellen Proberaum geschrieben zu haben? Der elektronische Umschwung allerdings erschwert es uns, von den Editors wie gewohnt mit Größen wie Interpol und gar Joy Division in einem Atemzug zu sprechen. Als Inspirationsquellen geben die vier für dieses Album nämlich u.a. LCD Soundsystem, Talking Heads und Depeche Mode, sowie industrielle Titelmelodien diverser Soundtracks, wie z.B. von Terminator und Blade Runner, an. Eines ist uns jedoch geblieben, nämlich das dunkle, geheimnisvolle Timbre der Stimme von Tom Smith, welches den Facettenreichtum der Band bestimmt. Dieser sagt schließlich: Es ist ein Album, das von dem Fehlen Gottes singt, von zerbrochener Liebe, ein Album, auf dem die dreckige Stadt so nah ist, dass du sie riechen und schmecken kannst, ein Album trunkener Gewalt, ein Album, das all das Vertrauen in die Leute, die unsere Welt regieren, verloren hat.

Die Metharmorphose zum Papillon lässt sich bereits in selbiger ersten Singleauskopplung hören, welche auf Garantie toute la journée im Kopf hängen bleiben wird. Mit 9 Songs erreicht In This Light And On This Evening eine relativ kurze Spielzeit von rund 37 Minuten, welche jedoch mit 5 weiteren Tracks auf der Bonus CD Cuttings II und einem schicken Booklet wett gemacht wird.

Editors

In This Light And On This Evening
von Andrea Lenz


Pathos ist der beste Angriff ist die beste Verteidigung!

Schon allein deshalb verdient In This Light And On This Evening auf jeden Fall Aufmerksamkeit. Die Editors haben, wie versprochen, Neues gewagt, den Post Punk dominierenden Doppelgitarren Ade gesagt, und sie teilweise durch hymnische Synthflächen ersetzt. Wir spitzen die Ohren und hören so aus den 80ern ein bisschen in die 90er hinein. Wavig ist es geworden, was nicht zuletzt auf den Produzenten Mike Ellis zurück zu führen ist, der bereits Bands wie Soft Cell, Depeche Mode, und Psychic TV produziert hat.

Noch bevor man anfängt, sich über das sphärisch, melancholische Intro des Headsongs In This Light And On This Evening zu wundern, wird einem bereits der Raum genommen, vertrauter Sounds hinterher zu weinen. Der scheinbar ewig andauernde Aufklang entlädt sich plötzlich in einem pathetischen: "Hör mich an, ich leide schöner!" Dieser raffinierte Trick wird, weil's so Spaß macht, noch häufiger angewandt. Trauriger Auftakt, bombastisch wütendes Finale. Und so werden wir denn auch mit For the Money, dem letzten Titel, mit offen stehendem Mund, in die Realität entlassen. Leider wirken die Lyrics der Editors nach wie vor eher abgeschmackt und erinnern an die bekannte Kopie einer Kopie.

"It kicks like a sleep twitch" ist ein ganz guter Satz. Deshalb wird er zum Refrain des hitverdächtigen, tanzbaren Songs Papillon. Der Rest ist Klischee, Wiederholung und angestrengte Bezugname zu den USA (die Hälfte der Editors lebt inzwischen in NYC). "Love" wird hier genannt, das "darling" soll ihre "guns" noch behalten und "god" wird wiederholt angerufen, weil man sich in einem "prison" befindet, das man verflucht.

Wir befinden uns eben immernoch im Bereich des Pop. Und hier werden solche Kleinigkeiten verziehen.
"In this light and on this evening" erscheint das Album insgesamt erfrischend anders und verdient daher auf jeden Fall mindestens Aufmerksamkeit.

Bad Lieutenant, die Zweite

Never Cry Another Tear
von Marco Weßnigk


Weltbewegend ist es nicht, das Debutalbum von Bernard Sumners neuer Band „Bad Lieutenant“. Aber eben auch nicht schlecht. Er macht einfach das, was er gut kann, nämlich absolut eingängige, gradlinige Popsongs schreiben. Das als Namenspate für die Band nun gerade ein durch und durch kontroverser Film von Abel Ferrara herhalten musste, ist aufgrund der offensichtlichen Seichtigkeit des Albums aber doch ein wenig unpassend.

Wie schon 1989 „Electronic“,ein Projekt mit Ex-„The Smiths“-Gitarrist Johnny Marr, so wurde auch „Bad Lieutenant“ nach einem Split von „New Order“ gegründet. Damals war es Erschöpfung, diesmal Streitigkeiten mit Bassist Peter Hook, die zur Trennung führten. Ob es wieder „nur“ eine Auszeit-Band ist, bleibt abzuwarten.

Bei den Aufnahmen wirkten neben Alex James von Blur und Youngster Jake Evans mit Phil Cunningham und Stephen Morris auch wieder zwei Altbekannte aus dem Joy Division/New Order-Kontinuum mit. Wenn Sumner also von einer neuen Band als „neue Versuchsanordnung“ spricht, so ist das wohl nur die halbe Wahrheit.

Tatsächlich fühlt man sich beim Hören der neuen Songs sehr an New Order erinnert. Der Sound wirkt zwar erdiger, entspannter und hat mit New Wave nichts mehr zu tun, aber Bernard Sumners Handschrift ist unverkennbar. Man meint die Melodien alle schon mal gehört zu haben. Aber das Gleiche könnte man ja auch Morrissey vorwerfen, macht man jedoch nicht. Die alten Herren des englischen Pop dürfen das halt einfach und der Erfolg gibt ihnen auch noch Recht. Kontinuität zahlt sich scheinbar aus.

Das Album droht zwar mehrfach –vor allem wenn’s balladesk wird- in eine nervige Belanglosigkeit zu verfallen, entschädigt aber mit außerordentlich gelungenen Stücken. So kann einem „Sink or Swim“ durchaus weitaus länger als gewollt im Ohr hängen bleiben und ist somit nicht ohne Grund die erste Singleauskopplung und „Summer Days on Holiday“ erinnert gar an die frühen Smiths.

Textlich werden jedoch nur Allgemeinplätze wie die Verflossene, alte Zeiten oder Lebensbejahung geboten – „Live is a prescious thing“. Dass das sehr banal daherkommt überrascht bei Sumner einerseits keineswegs, man hofft andererseits immer, dass er ob seines wechselhaften Lebenslaufs doch mal etwas mehr zu erzählen hätte. Aber Lebenserfahrung macht ja nicht zwangsläufig einen Poeten.

Fazit: wer New Order mochte, wird auch mit Bad Lieutenant kein Problem haben. Wer allerdings Popsongs mit Ecken und Kanten mag oder gar wert auf Tiefgang legt, sollte davon lieber die Finger lassen. Und wer die Synthies vermisst, der sollte vielleicht abwarten, was für ein Süppchen Sumner gerade mit "Zoot Woman"-Mastermind Stuart Price köchelt, der nebenbei unter diversen Aliassen auch noch als Remixer und Produzent (z.B. für Madonna) tätig ist.

Bad Lieutenant

Never Cry Another Tear
von Maxi Kobold


Gute 2 Jahre mussten die Fans von Ex-New Order Frontmann Bernard Sumner warten, um endlich das Debütalbum seiner neuen Formation Bad Lieutenant zu Ohren zu bekommen. Bad Lieutenant, das ist nicht nur Bernard Sumner’s Gesang und Gitarre, sondern auch Phil Cunningham, ebenfalls Gitarre, und Jake Evans, auch Gitarre und Gesang. Ganz im Stil der New Order präsentiert sich das Debütalbum der Jungs – oder sagen wir besser der Herren?!

„Never Cry Another Tear“ beanspruchte ein ganzes Jahr lang intensiven Songwritings, was an manchen Stellen zu erahnen und teilweise auch zu hören ist. Der Opener des Albums „Sink Or Swim“, gleichzeitig die erste Singleauskopplung, verspricht ein Werk voller klassischem Gitarren–Pop. Ein eingängiger Beat, welcher sich im Laufe des Tracks zunehmend steigert, untermalt mit melancholischem Text - lässt New Order Fans das Herz warm werden. Voller Spannung geht der Hörer in den zweiten Song des Albums „Twist Of Fate“ und sieht sich mit ähnlichen Strukturen konfrontiert – die verzaubernde Stimme von Bernard und dazu ein poppiger Beat mit Gitarren und einem treibenden Schlagzeug. Wie ein roter Faden zieht sich dieser Aufbau durch das gesamte Album „Never Cry Another Tear“, dabei bleibt es allerdings auch. Zu selten fährt Sumner zu alter Größe auf, verirrt sich zu oft in den Gewässern seichter Popmusik – ohne Frage stets stringent und souverän, die Tiefe alter Klassiker vermisst man jedoch zusehends. Textliche Schwächen wie bei „Dynamo“ „... old man living on the street, scaring people off their feet, but he's not starting world war III, he wants to live in harmony“ tun ihr Übriges. Man kann Bad Lieutenant die Längen und Schwächen des Albums nicht wirklich übel nehmen, trägt einen die Stimme Sumners doch oft zurück in die alten New Order Zeiten und summt man beim ein oder anderen Track gedankenverloren mit und sehnt sich nach New Orders Jahrhundertcomeback „Get Ready“. Was bleibt ist das solide Album einer soliden Band. „Never Cry Another Tear“ nimmt den Hörer mit auf eine Herbstreise und wärmt das Gemüt, für einen kalten Winter oder gar ein Frühlingserwachen wird es jedoch nicht reichen.

Beyond Istanbul Vol. 2 (Compiled by Ipek Ipekçioglu), die Zweite

Urban Sounds Of Turkey
von Valentin Peitz


Nach dem erfolgreichen Erstwerk der türkischstämmigen in Deutschland lebenden DJane Ipek Ipekçioglu, läutet sie nun mit dem Nachfolgewerk »Beyond Istanbul Vol.2 - Urban Sounds Of Turkey« die Glocken für eine weitere Lehrstunde in Sachen erweitertem Verständnis türkischer Musikkultur.

Während das im Jahr 2006 erschienene Erstwerk »Beyond Istanbul - Underground Grooves Of Turkey« wie es der Titel bereits anmerkt eine Reise durch die türkischsprachige Clubmusikkultur darstellt, bietet Ipek Ipekçioglu mit der zweiten, ebenfalls bei dem Trikont-Verlag erschienenen Compilation, dem Hörer nun einen tieferen und breit angelegten Einblick in die Klangkultur der Türkei und verschiedenster türkischer Diasporen.

Das Konzept, welches nun hinter »Beyond Istanbul Vol.2« steht, baut ihrer eigenen Aussage zufolge nicht auf marktökonomischen Überlegungen, sondern verfolgt vielmehr ein sehr persönliches Interesse. So habe sie versucht Songs zusammenzutragen, mit welchen die DJane und Produzentin ganz eigene Erinnerungen und Gefühle in ganz bestimmten Momenten ihres Lebens verbinde.

Herausgekommen ist ein Werk, das eben ein sehr breites und facettenreiches Angebot türkischsprachiger und von der türkischen Musikkultur beeinflusster Musik zum Inhalt hat. Der ein oder andere Hörer wird überrascht sein, was DJ Ipek da an Titeln aus ihrem anatolischen Hut zaubert. So wird auf der einen Seite die hier auf einem Tonträger zusammengetragene Genrepalette von Track zu Track weiter ausgelotet, auf der anderen Seite tüfteln und schleifen die ausgewählten Songs zudem nicht selten selbst fleißig an eingefahrenen Genregrenzen - ein musikalischer Eklektizismus in doppeltem Sinn!

Schon der erste Track auf »Beyond Istanbul - Urban Sounds OF Turkey« zeigt diese Tendenz deutlich auf. Die türkische Gruppe „Fairuz Derin Bulut“ wartet in dem Titel »Zerk-i Ziyan« mit einer Punk-Reggae-Attitüde in der Art von beispielsweise The Clash auf, gepaart mit türkischen Instrumenten und türkischem Hip-Hop-Gesang des Künstlers „Ceza“. Gefolgt von dem Titel »ILimon ektim Tasa«, ein mitreißendes balkantypisches Bläserstück, unterlegt mit türkischem Gesang, wird zu diesem Zeitpunkt dem im doppelten Sinne auf dieser Compilation vorhandenen Stileklektizismus bereits Rechenschaft abgelegt.

Von Soul, Funk und zeitgenössisch-elektronischer Musik geprägte Titel werden im weiteren Verlauf von DJ Ipek ebenso wenig gemieden, wie auch traditionelle türkische Chanson-Musik.

Neben dem auditiven Erlebnis funktioniert dieses Werk noch auf einer ganz anderen Ebene. So ist der Compilation ein 28 Seiten starkes Booklet zugefügt, in welchem der Rezipient einiges mehr über ausgewählte Titel, Künstler, zu der Compilerin selber und vor allem auch zu dem zeitgenössischen Kulturleben in der Türkei erfährt.

Ein Rundumschlag also, zu dem Ipek Ipekçioglu hier angesetzt hat und der in Hinsicht auf bestimmte ihm immanente sozial-gesellschaftliche Ambitionen gewisse Parallelen zu dem vor einigen Jahren bereits entstanden Filmwerk »Crossing the Bridge« des türkischstämmigen und in Deutschland arbeitenden Regisseurs Fatih Akin aufweist. Ist aber »Crossing the Bridge« ein Werk, welches in der Medienlandschaft leider mehr oder weniger unterging, könnte »Beyond Istanbul Vol.2« den Sprung in den öffentlichen Diskurs schaffen und damit zumindest kleine Anregungen zum Verständnis der türkischen Kultur beitragen. Wir würden uns das uns zu liebe doch sehr wünschen. Das Zeug dazu, so viel kann man bestimmt sagen, hat DJ Ipek’s Compilation alle Mal.

Beyond Istanbul Vol. 2 (Compiled by Ipek Ipekçioglu)

Urban Sounds Of Turkey
von Philip Gann


Mein erster Gedanke, als ich diese Platte in die Hand bekomme: Orientalisches Gedudel wie in der Shisha-Lounge unten im Haus, na toll!

Mein zweiter Gedanke, als ich ins Booklet schaue: Ein Sampler mit der Ansage "Von Soul über Hip-Hop und Trip-Hop bis hin zu Balkan-Klängen", "auch Chansons und elektronische Arbeiten"! Was für ein Stilmix – !

Dritter Gedanke: Immerhin ist das Cover ansprechend gestaltet.

Und dann geht's los. Zunächst mit Balkan-Pop, weiter mit eher ruhigeren, fast schon klassischen Liedern und Chansons, dann PAM! ein Schlag ins Gesicht: türkischer Rap. Ein Schwenk auf die Elektro-Schiene, und schließlich, nach dem alten "wer hat noch nicht wer will nochmal"-Prinzip, Rockiges neben World-Beats, Folk und wieder zurück zum Rap und Rock. Ein unglaublich wilder Genre-Mix, verbunden einzig und allein durch die (meistens) türkische Sprache und die immer wieder durchklingenden Anleihen aus nahöstlichen Melodien und Rhythmen. Die Ansage aus dem Booklet wird definitiv wahrgemacht. Und die Überraschung ist: das Konzept geht auf. Diese CD ist sicherlich keine, die am Stück durchgehört werden wird. Und sie ist nicht zu empfehlen für Leute die sich nicht auf Orient-Klänge einlassen können. Aber: Diese CD verschafft dem interessierten Hörer einen Einblick in die urbane Popmusik (und die damit verbundenen Genre-Vielfalt) des mit uns doch stärker verbundenen vorderasiatischen-osteuropäischen Landes. Dank der famosen Auswahl der Kreuzberger DJane Ipek Ipekcioglu und auch nicht zuletzt den sehr informativen Texten die zu den einzelnen Künstlern beigelegt sind, bekommt man Lust auf mehr, zumindest von einigen Künstlern. Aber die darf sich jeder Hörer selbst aussuchen, je nach Musikgeschmack.

Samstag, 16. Januar 2010

Balkanbeats, die Vierte

A Night in Berlin
von Ulrika Müller


Wer hier ausschließlich an Männergesang begleitet von Posaunen, Geigen und Akkordeons denkt, wird überrascht sein. Balkan Beats bietet einen bunten Mix aus verschiedensten Musikstilen: zwischen die volkstümlichen Balkanmelodien reihen sich spanische Klänge, russische Berlin-Hommage-Raps und Frauengesang unterlegt mit elektronischen Beats. Die Titel sind durchweg kraftvoll, stimmungsgeladen und absolut tanzbar.

Wie die Musik des Balkanvolkes nach Berlin kam, hat eine lange Geschichte. Der Bosnier Robert Soko floh Anfang der 90er Jahren vor dem Krieg nach Deutschland und begann Musik aus seiner ethischen Heimat aufzulegen. Identitätssuche und Heimaterinnerung trieben viele Jugoslawen zu seinen Partys und bald folgen auch die anderen Hauptstädter: DJ Soko wurden zum nächtlichen Publikumsmagnet. Heute ist Soko Resident DJ im Berliner Lido, aber seine Balkan-Partys ziehen um die Welt: Paris, New York, Budapest und London sind nur einige Städte, die das Balkanbeats-Phänomen live miterlebt haben.

Mit „A night in Berlin“ bringt DJ Soko den dritten Teil seiner Balkanbeats-Reihe heraus. Auf dem Sampler sind bekannte Interpreten wie Shantel, Rotfront und Magnifico ebenso vertreten wie unbekannte Künstler. Die Titel der Compilation sind die Hits seiner Partys, die Songs dementsprechend laut, aufdringlich und überdreht, was in manchen Situationen mehr als unpassend ist.

Die Platte ist für Balkan-Party-Freunde ein Muss – Neulinge sollten jedoch erstmal genau reinhören, bevor eine böse Überraschung droht.

Balkanbeats, die Dritte

A Night in Berlin
von Victoria Köhring


Sampler sind schon was Tolles. Musikalisch, thematisch ähnlich und trotzdem vielfältig. Perfekt, um neue Musiker für sich zu entdecken. Im Prinzip, wie ein Festival....im Wohnzimmer. Oder 13qm Mehrzweckraum...was der Geldbeutel eben hergibt.

Das Besondere an Balkanbeats ist, dass man nicht nur über neue Lieblingskünstler stolpern und die sich dann live anschauen/ein Album beschaffen kann. Je nach Belieben kann man sogar das ganze mitreißende-Melodien-Paket an einem Abend haben. Jeden 2. Samstag im Monat, wenn DJ Robert Soko im Lido auflegt, kann sich der tanzwütige Berliner ausleben. Die Partys haben mittlerweile Kultstatus, auch außerhalb der deutschen Haupstadt.

Bestätigt vom Erfolg ist Ende Oktober die mittlerweile 4. Compilation „A Night in Berlin“ erschienen. Wer die Vorgänger kennt, wird auf der neuen Scheibe einige Bekannte wieder-“hören“. Magnifico, Äl Jawala und Shantel bspw. sind erneut am Start. Letzterer sogar 2 Mal...mit der Amsterdam Klezmer Band und mit einem Remix seines bereits erschienenen Tracks „Disco Partizani“.

Aber auch neue Gesänge tummeln sich in den unterschiedlichsten Sprachen und vom musikalischn Stil her durchaus vielfältig. Wenn man die CD bei einer Schüssel Salat genießt, tun sich unwillkürlich Parallelen auf. Da vermischen sich Gurke, Radiesschen, Eisbergsalat, Mais und deutscher Käse (nach griechischer Art) und verbinden sich durch Pflanzenöl zu einer durchaus leckeren Geschmackskomposition (wobei sich über Geschmack natürlich streiten lässt). Ähnlich das Gericht, welches Robert Soko uns hier zubereitet. Viele unbekanntere Künstler sind dabei, deren Musik begeistert, tanzbar und irgendwie erfrischend ist, die man im Alleingang aber eher nicht gefunden hätte, weil sie sich links und rechts von dem bewegen, was groß gehypt wird und damit in die Ohren einer breiteren Masse gelangt. Robert Soko findet diese Musiker, in welcher hinteren Ecke Europas sie auch immer stecken mögen und serviert uns zum 4. Mal ein besonderes Menü an Klängen.

Guten Appetit!

Balkanbeats, die Zweite

A Night in Berlin
von Sophia Lara Skuratowicz


Balkanbeats, ruft bei jedem wohl ein ganz bestimmtes Bild in den Kopf und wie sollte es auch anders sein eine Melodie. Bei mir ist es unumstreitbar Dj Shantel, der 2007 durch die Straßen von Rumänien rannte und sein Disko Disko Partizani auf die Welt los lies.

Interessant ist auch wo dieser Trend und auch der Begriff BalkanBeats herkommen: nicht etwa aus Rumänien sondern direkt aus unserer schönen Hauptstadt Berlin. Der Erfinder ist ein Robert Soko der sich 1990 in Berlin niederließ und 1993 seine erste Party startete, die sich dann als BalkanBeats bekannt machte.

Mit dieser Melodie im Kopf schiebe ich die CD in meine Anlage und höre mir den ersten Track evo me narode des von Piranha zusammen gestellten Samplers an. Es beginnt mit einem mechanisch klingenden Beat, Trompeten und Gesang. Nicht weiter verwunderlich, wären da nicht immer wieder die Verzerrungen und an Science-Fiction erinnernde Töne. Etwas irritiert höre ich in den zweiten Track rein um dann in eine beruhigend bekannte Stimmung zu verfallen. Mein Körper will zu dem schnellen Rhythmus gleich los hüpfen und auch die vertrauten Blasinstrumente im Stakkato erfreuen meine Sinne. Der Sänger schreit dazu noch ein halb verzweifelt, halb belustigtes Maruschka. Ja das ist was ich mir unter BalkanBeats vorgestellt habe.

Der Nebentitel des Samplers lautet A Night in Berlin, daher wundert es nicht, dass B-Styl erst mal mit deutschen Text beginnt und auch im Refrain die Hauptstadt zitiert. Und siehe da auch Disko Partizani ist zum Ende des Samplers hin vertreten, in einem etwas anderen Remix mit Verzerrungen ähnlich dem ersten Lied. Hört man weiter erlebt man wie bei den beiden ersten Liedern Überraschungen und „altbekanntes“ in einer abwechslungsreichen Mischung. Was mich zu Beginn noch verstört beginnt nun zu gefallen. Ja grade diese Mischung und die bewusste Reihenfolge der Lieder sagen zu. Ich komme sogar in den Genuss diversen Gesangssprachen zu lauschen und einigen qualitativ hochwertige Instrumentalsolos.

So gesehen ist „BalkanBeats – A Night in Berlin“ ein echtes Potpourri von 15 Tracks mit Insgesamt 57 Minuten „balkanische Beats“. Bekanntes mit neuem weckt die Lust zum Tanzen, Singen und lässt den einen oder anderen an die Heimat denken. Nur der Remix von Dj Shantel und das erste Werk auf dem Sampler passen meiner Meinung nicht ganz ins Konzept. Sie wirken verstörend mit ihren technisch-Science Fiction Geräuschen. Und das evo me narode an erster Stelle ist auch irritierend da dies der erste Eindruck ist und sowie diese Version von Disko Partizani nicht ganz ins Gesamtbild des sonst so gut strukturierten Samplers passt.

Balkanbeats

A Night in Berlin
von Viktoria Deßauer


Was haben Döner, Currywurst und Balkanbeats gemeinsam? Sie sind Berliner Erfindungen.

Vereinigt die Völker und lasst sie tanzen! Seit Jahren sind die Balkanbeats-Partys der Renner. Was mit einer Party in der Untergrundszene in Berlin Kreuzberg anfing, hat inzwischen Kultstatus erlangt und sich weltweit verbreitet. Der Vater der Balkanbeats, DJ Robert Soko legt nicht mehr nur in Berlin auf. Auch in Paris, London, Budapest und manchmal sogar in Brasilien lässt er die Tanzböden zu seinen Balkanbeats beben.

Nach einem Jahr hat Robert Soko wieder eine neue Compilation aus dem Ärmel gezogen. Auf die CD´s Balkan Beats Vol I, II und III, folgt nun das neue Album, mit einem etwas kreativeren Titel: „A night in Berlin“. Vielleicht sollte die CD lieber den Namen „One night in Berlin“ tragen, denn beim Hören der Platte finden wir uns in eine Clubnacht mit Robert Soko versetzt. Der Boden bebt unter der tanzenden Meute, die ihre Hüften bewegen zum Balkancocktail mit Gypsy Brass, Yugo Punk, Balkan Ska und einem Schuss Elektro.

Der neue Sampler liefert uns, wie auch schon die anderen davor einen Knaller nach dem anderen. Mit einem eingängigen Bläser-ElektroBeat-Ensemble beginnt der erste Song von Magnifico „Evo Me Narode“. Mit Rotfront haben wir „zwei Berliner Emigrantskis“, die uns gleich in mehreren Sprachen und einem Mix von Klezmer und Ska von Berlin vorschwärmen. Shantel präsentiert uns eine leicht abgeänderte Version seines Hits „Disko Partizani“. Abgerundet werden die 15 Songs mit der Kolo Novo Movie Band, die uns eine gelungene Mischung osteuropäischer und afrikanischer Musik zeigen.

Mit „A night in Berlin“ beweist uns Robert Soko wieder einmal, wie man mit dem Mix von Osteuropa-Folklore und Elektro die Menschen in ganz Europa zum Tanzen bringt. Besser als auf der CD ist dieser Sound nur noch auf der Tanzfläche!

Le Pop 5 , die zweite

Les Chansons De La Nouvelle Scène Francaise
von Alicja Mastalerz


Le Pop 5 – ein weiterer Sampler aus der französischen „Néo Chansons“ Reihe, produziert von den Kölnern Oliver Fröschke und Rolf Witteler, erscheint am 20. 11. Sie sollte jetzt schon auf der Wunschliste eines jeden, der wieder mal eine wunderschöne, lockere Various Artist Compilation zu hören bekommen will, vermerkt sein.

Für Liebhaber der Fiftees und Édith Piaf, aber auch für Kinder des heutigen New Pop, New Wave, New Funk; sie alle kommen während der Genrereise der neuen französischen Singschule durch Jazz, Swing, Ambient, Electro oder wahlweise auch Synthpop, auf ihre Kosten.

Mit seinen 16 Tracks erreicht „Le Pop“ beim Hörer nahezu alle Gefühlsebenen und ist der perfekte Begleiter für einen wunderbaren Abend zu zweit am Kamin oder mit Freunden, Bier und Zigaretten. Zunächst eindeutig zum Tanz animiert durch die Latino - Klänge von „Olive et moi“ und „Chat“, verfällt man in eine wunderbar sanfte Glückseeligkeit, wenn „Dominque A“ anfängt vom Ende der Welt zu singen. Durch das rhythmische Fahrradlied von „Eddy (La) Gooyatsh“ fühlt man sich ungewollt in die Gassen von Paris katapultiert. „Naim Amors“ und „Vincent Delerms“ Zeilen sind tiefgründig, sinnlich und romantisch. Nostalgie und lang vergessene Erinnerungen werden durch sie hervorgerufen.

Zur Mitte der Platte hin kann die Musikauswahl einem monoton und vielleicht etwas melancholisch vorkommen, doch spätestens Mia von „Holden“ bricht die wehmütige Atmosphäre und schafft es, dass selbst der unmusikalischste Hörer bei diesen Beats mit summt. Würde da nicht das wunderbare Allez von „Mathieu Boogaerts“ folgen – könnte man „Holdens“ eingängiges Ah-Ah-Ah-Ah-Ah ewig im Kopf behalten; doch Mathieu‘s Aufforderung an alle irgendwo hinzugehen ist mindestens ebenso ohrwurmtauglich. Beide Lieder sollten definitiv zu den besten Songs dieser Compilation gezählt werden. Am Anfang von „Mickey 3D“s Song kommen dann die eindeutig die elektronischen Einflüsse zutage. Manchmal scheint es fast, als seien Casiotone und Synthesizer genau das, was dem neuartigen französischen Chanson bis jetzt gefehlt hat. Der Abschluss mit der schon bekannteren Band „Cœur de Pirate“ erinnert einen nochmal daran, dass man es hier mit waschechter „Nouvelle Scéne“ Musik aus unserem Nachbarland zu tun hat. Dieser letzte zarte Track entlässt einen mit einem angenehmen Gefühl aus der französischen Popplatte.

Im Großen und Ganzen gibt diese Disc einem das Gefühl in einem Moment glücklich sein zu können und mit einem lachenden Gesicht durch die Straßen zu laufen, um dann im Nächsten in der Bahn am Fenster zu sitzen und über Gott und die Welt zu grübeln.
Man kann die Lieder als Gesamtheit hören, da sie gefühlsmäßig gut aufeinander abgestimmt sind.

Eine Fortsetzung der Sampler Reihe die sich hören und sehen lassen kann, mit Künstlern, die auch schon teilweise von Anfang an, an den vorigen Veröffentlichungen beteiligt waren und einen erheblichen künstlerischen Teil zum Endprodukt beitragen.
Ein quasi perfekter MischMasch aus musikalischen Formen und Gattungen, ohne dabei die Wurzeln des französischen Pop und Chansons zu vergessen.

Le Pop 5

Les Chansons De La Nouvelle Scène Francaise
von Nele Luise Fritzsche


Le Pop 5, der Name der neuesten Compilation aus der Hand der Kölner Djs Oliver Fröschke und Rolf Witteler erinnert an eine private Zusammenstellung von Lieblingsliedern aus der französischen Popmusiklandschaft. Ein bisschen ist das auch so. Die Produzenten des inzwischen bekannter gewordenen Indie Labels Le Pop Musik begannen im Jahr 2002 die Avantgarde der Nouvelle Scène Française auf einem Sampler mit dem unscheinbaren Namen Le Pop zu veröffentlichen.

Mit Le Pop 5 bekommen wir die nunmehr sechste Veröffentlichung von Le Pop Musik zu hören. Aus dem kleinen Projekt wurde schnell die Vorstellung der Crème de la Crème der aktuellen französische Popmusik, sei es in der langjährigen Zusammenarbeit mit Dominique A oder mit der ständigen Neuentdeckung von französisch gesungenem Pop.
Uns erwarten keine Bohème Klischees, sondern eine gelungen liebevolle Zusammenstellung von Musik, die im Ohr bleibt. Mélanie Pain & Julien Doré gelingt es in ihrem Song "Helsinki" der ruhigen leichten Art der Songwriter gerecht zu werden. Die sanfte Melodie, getragen von einer Liedgitarre im Zusammenspiel mit der Stimme, trägt uns weit fort, überlässt uns unseren eigenen Gedanken, ohne dabei an Aussagekraft zu verlieren.
Ebensfalls berührend sind Songs wie La Plage, der mit dem dramatischen Klavier die eindringliche Stimme tragend, an Klassiker wie "Ne me quitte pas" von Jaques Brel erinnern und so dem Namen "Le Pop" nocheinmal eine Note weg vom Mottoalbum hin zur Compilation von musikalischer Substanz geben.
Aber nicht nur schwärmerische Motti wurden von Witteler und Fröschke ausgewählt, genauso huldigem sie mit dem Song "Mia" von Holden, der mit Sythezizern und eigenwilligen Vocals, ähnlich provokant, wenn auch nicht so ausgeprägt wie die der April March, Strömungen wie der des so großer Beliebtheit genießenden French Electros. Die lebenslustige Bassline und die digitalen Sounds bieten ein so ganz anderes Hörerlebnis und eröffnen einen neuen Blickwinkel in die Vielfalt des aktuellen französischen Musikgeschehens.
Und es ist eben diese Vielfalt, die einen immer wieder überrascht, die dafür sorgt, dass man nocheinmal genauer hinhört und das Album nicht in der Ecke der Hintergrundmusik verschwinden lässt. Le Pop 5 ist geprägt von Musik voller Rhythmus, die einen vor französischer Leidenschaft und Lebenslust zum Tanzen bringt, ob nun froh oder melancholisch gestimmt.

Das Gefühl, dass das neue Le Pop Album kaum wie eine Compilation wirkt, sondern die Songs gekonnt ineinander verschmelzen, ist wohl den DJ Wurzeln der Labelchefs zu verdanken. Man durchlebt den Wandel von luftigen, fast zu süßen Klaviermelodien in "Harmony" von Chat zu nostalgischen Akkordeonthemen in "La peau du Lait" von Marianne Dissard, beinahe ohne es zu merken und beginnt, davon zu träumen auch einmal in den Füllen der versteckten Pariser Plattenläden nach mehr französischer Popmusik zu stöbern – die Künstler von Le Pop 5 bleiben ganz sicher im Kopf - man weiß also, wonach man suchen muss.