Montag, 18. Januar 2010

Editors, die Dritte

In This Light And On This Evening
von Maja Schäfer


Eine Entwarnung vorab: An dieser Stelle werdet ihr euch nicht mit dem zigtausendsten Interpol-Editors-Vergleich konfrontiert sehen müssen und auch redundante Parallelen zu Joy Division bleiben euch erspart – versprochen. Auch wenn gerade letztere Assoziationskette beim neuen Editors-Album In This Light And On This Evening durchaus ihre Berechtigung hätte, denn das dritte Werk der Editors aus Birmingham ist – man glaubt es kaum – noch düsterer und morbider ausgefallen als seine Vorgänger. Aber wie heißt es so schön: Versprochen ist versprochen und deshalb kein Wort mehr zu Ian Curtis und Co.

Schon der namengebende Opener weist die Richtung: Tom Smith singt in der ersten Songzeile mit gewohnter Grabesstimme: „I swear to God“ – letzterer Kollege wird uns in den 9 Tracks übrigens noch öfter begegnen, insgesamt ganze 14 Mal, so dass die Songs zum Teil eher wie opulente Kirchenlieder wirken als wie die Aufnahmen der neuen Platte einer Rock-Band. Es bleibt nämlich nicht nur beim Gottesschwur, der Allmächtige soll darüber hinaus gefälligst aufhören sich so furchtbar ignorant zu geben und sich bitte melden – der Unmissverständlichkeit halber möglichst per Handzeichen. Aber genug zum Thema Religiosität, auch andere Sujets finden auf In This Light And On This Evening ihre musikalische Interpretation.

Die Anonymität der modernen Großstadt ist ansonsten der rote Faden, der das Album durchzieht – kaum verwunderlich, wo doch Ed Lay das einzige Bandmitglied ist, das seiner Heimatstadt Birmingham die Treue hält. Chris Urbanowicz und Russell Leetch hat es inzwischen nach New York getrieben und Tom Smith, stolzer Vater eines Sohnes, hat seine Zelte bis auf weiteres in London aufgeschlagen. Die englische Hauptstadt ist es dann auch, die im ersten Song des Longplayers als „the most beautiful thing I’ve ever seen“ beschrieben wird. Wir erinnern uns: „the sadest thing I’ve ever seen“ waren für Tom im vorangegangen Album noch die „smokers outside the hospital doors“.

Verlassen wir jedoch die finsteren Krankenhausflure und widmen wir uns der nicht minder dunklen Bariton-Stimme des Sängers, das unverwechselbare Erkennungszeichen jedes Editors-Songs. Da mögen unter Einfluss des renommierten Musikproduzenten Mark Ellis alias Flood noch so viele Synthesizer und elektronische Drumpads Einzug in die Musik der Editors gefunden haben – Smiths Pathos-beladene Stimme verleiht selbst dem kühlen, futuristischen und industriell-künstlichen Sound der neuen Platte eine gewisse Menschlichkeit, diesen Hauch von Melodramatik, der immer wieder nur knapp an ausuferndem Kitsch vorbeischliddert.

Diese Stimme macht es überhaupt erst denkbar, dass Tracks wie die großartige Single-Auskopplung Papillon trotz des unüberhörbaren nihilistischen Grundtenors der Platte und einer beachtlichen Überlänge von mehr als fünf Minuten selbst auf der Tanzfläche bestens funktionieren und tieftraurige Songzeilen wie „You will choke, choke on the air you trie to breathe“ von Indie-Clubgästen lauthals mitgegrölt werden, als würde Smith über Banalitäten wie das Wetter in Birmingham singen. Dass man das neue Album also hören kann ohne sich danach unverzüglich von der Tower Bridge zu stürzen, ohne komplett desillusioniert, verzweifelt und beängstigt zurückgelassen zu werden – darin besteht wohl die Kunst, nicht nur der letzten beiden grandiosen Longplayer, sondern auch von In This Light And On This Evening.

Beängstigend wird es dann allerdings doch noch und zwar, wenn man bedenkt, welche Klientel in Zukunft wohl die Stadien der Editors füllen wird: Der Track No sound but the wind findet sich auf dem Soundtrack zum Nachfolger des Vampir-Trash-Teen-Movies Twilight, der in seiner Uninspiriertheit, Schmalzigkeit und Unauthentizität all die Eigenschaften verkörpert, die der Band von bösen Zungen nachgesagt werden und gegen die sie sich seit jeher vehement wehrt. Ob diese Entscheidung dem Image der Editors gut tut, bleibt fraglich. Bleibt zu hoffen, dass das viele Beten zu Gott nicht umsonst war.

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